«Mountainbike hat zu wenig Tradition» | Ride MTB

«Mountainbike hat zu wenig Tradition»

Was kostet ein Mountainbike Weltcup, weshalb gibt es keine Bike-Rennen am Fernsehen zu sehen und wieviel Arbeit im Hintergrund dazu gehört einen Weltcup auf die Beine zu stellen - davon erzählt Eventprofi und Lenzerzeide Weltcup OK-Präsident Christoph Müller im Interview.

 

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Ride: Herr Müller, Sie produzierten Anlässe für Red Bull, wirkten bei Schweizer Ironmans mit, beim Schweizer Fernsehen arbeiteten Sie bei Music Star als Produktionsassistent. Wie unterscheidet sich die Arbeit als OK-Präsident des MTB Weltcups Lenzerheide von Ihren vorherigen Ämtern?
Christoph Müller: Bisher hatte ich es mit viel weniger Ansprechpartnern zu tun. Beispielsweise Red Bull und die Stadt, wo der Event stattfand. Jetzt habe ich viele Partner im Boot: Da ist die Destination Lenzerheide, dazu die Bergbahnen, die Gemeinden, der Kanton. Und die lokalen Leistungsträger, das reicht vom Caterer über den Gastwirt bis zum Gemeindepräsidenten.

Wie läuft die Kooperation mit diesen Stellen?
Ich treffe hier auf sehr gute Strukturen, es ist für mich als Externer – ich arbeite für die Agentur evolution puissance 4 Ltd. - sehr angenehm zu arbeiten. Die Destination, die Bahnen und die genannten Stellen haben hervorragende Aufbauarbeit geleistet, die Infrastruktur ist top und bestens gewappnet für den bevorstehenden Weltcup.

Wie ist Ihr Engagement für den Weltcup zu Stande gekommen?
Auf der Lenzerheide hatte ich bereits das Event-Format Red Bull Skills durchgeführt, das war ein Ski Alpin Anlass. Nachdem Lenzerheide die Zusage für WC und WM erhalten hat, bin ich aktiv auf die Destinationsmanager zugegangen. Ich hatte idealerweise immer noch die selben Ansprechpartner wie beim Red Bull Anlass und habe Ideen entwickelt für die Bike-Anlässe, im Namen meiner Agentur. Seit dem Sommer 2014 bin ich OK-Präsident und im Vorstand des Vereins Bike Weltcup Lenzerheide. Die Arbeiten erledige ich Rahmen eines 40 Prozent-Pensums, im Vorfeld des Events sind es etwas mehr, aber übers Jahr hinweg kommt es etwa hin.

Wer unterstützt Sie bei der Organisation des Weltcups?
Wie gesagt haben wir in Lenzerheide hervorragende Strukturen: Die Lenzerheide Bergbahnen, die Destinationsgemeinden, Lenzerheide Tourismus und die Lenzerheide Marketing und Support AG unterstützen die Grossanlässe. Auch das Amt für Wirtschaft und Tourismus des Kantons Graubündens hat finanzielle Beiträge zugesichert. Organisatorisch ist das Head Office der Veranstaltung bei der Lenzerheide Marketing und Support AG angesiedelt.

Apropos Finanzen, wie teuer ist so ein Weltcup?
Wir haben für den einzelnen Weltcup ein Budget von knapp einer Million. Wir können mit Eintritten, Hospitality, Expo-Bereich, Startgeldern und Festwirtschaft direkt Einnahmen generieren. Zudem erhalten wir Subventionen und Fördergelder von Gemeinden und Kanton. Wichtig sind selbstverständlich Sponsoring-Einnahmen.

 

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Der Vorzeige-Event freestyle.ch findet 2015 mangels Sponsoren nicht statt. Wie gestaltet sich die Sponsorensuche beim Mountainbike Weltcup?
Das Sponsoring ist nicht da, wo man sich das wünscht. Der Bikesport ist bei der Vermarktung nicht da, wo dieser hingehört. Doch wir verzeichnen Erfolge: Mit Ochsner Sport konnten wir bereits einen ersten Co-Sponsor gewinnen, Lenzerheide ist der Hauptsponsor. Und mehrere Sponsoringvereinbarung stehen kurz dem Abschluss. Der Sponsoringweg ist sehr steinig, wie eine XCO-Strecke, doch wir sind zuversichtlich, im ersten Jahr unsere Ziele zu erreichen.

Wo hat Mountainbiking Defizite in der Vermarktung – oder was könnte man besser machen?
Der Mountainbikesport im Bereich der Vermarktung ist jung und hat noch wenig Tradition. Schauen Sie sich einen Skiweltcup an, diese Rennen haben Tradition und sind etabliert. Rennen wie Lauberhorn oder Kitzbühel sind legendär - da müssen wir hin.

Was kann man vom Skiweltcup noch lernen?
Die TV-Übertragungsstunden sind enorm wichtig, dadurch steckt sehr viel mehr Geld im Ski-Zirkus. Es muss uns gelingen, den Mountainbikesport besser in der Schweizer Medienlandschaft zu positionieren. Die heutige TV-Produktion ist auf sehr hohem Level und fängt die Attraktion des Sports auf eindrückliche Weise ein. Nun liegt es an uns und unseren Partnern Swiss Cycling und UCI, die Schweizer Medien dafür zu begeistern.

Dazu besteht im Skiweltcup ein Kult um einzelne Strecken oder Sprünge, das ist interessant. Und so auch denkbar für Mountainbike-Strecken: Dass der Biker einfach einmal in seinem Leben auf der Strecke in Lenzerheide gewesen sein muss. Wir arbeiten daran, neben der DHI-Strecke auch die XCO-Strecke des Weltcups permanent befahrbar zu machen und als originale Weltcup-Strecke zu vermarkten.

 

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Wo sind die Hürden, wenn es um die Zusage von Sponsorengeldern geht?
Der Strassenrennsport steht dem Mountainbike noch vor der Sonne, da spielt die TV-Übertragung wohl eine Rolle. Wobei diese Situation paradox ist: In der Schweiz werden viel mehr Mountainbikes als Rennräder verkauft. Beim Sponsoring spielen das persönliche Netzwerk und die Leidenschaft für den Mountainbikesport eine sehr grosse Rolle: Am besten erreicht man Entscheidungsträger, die vom Mountainben begeistert sind, das öffnet Türen.
Wir haben die Akquise von Sponsoren der Agentur Sportsemotion aus Rorschach übertragen. Durch drei Jahre Weltcup und dann 2018 mit der WM haben wir einen Vierjahresfahrplan. Das ist Vor- und Nachteil: Die Unternehmen erhalten Planungssicherheit und Kontinuität, aber andererseits verpflichten sie sich nicht gerne über mehrere Jahre, da die wirtschaftliche Entwicklung nicht absehbar ist.

Was für eine Rolle spielt der Radsportweltverband UCI bei der Organisation eines Weltcups?
Der Weltverband ist verantwortlich für die Vermarktung der gesamten Weltcup-Serie und zuständig für die Live-Produktion der Elite-Rennen. Zudem stellt die UCI technische Richtlinien bereit, die wir einhalten müssen. Beispielsweise wie lange eine Zieleinfahrt zu sein hat. Hier mussten wir Handlungsspielraum erwirken, denn die Platzverhältnisse bei der Rothornbahn-Talstation – dem Event-Gelände – sind begrenzt. So hat die Zieleinfahrt nach 50 Metern eine leichte Kurve, die UCI liess mit sich reden.

Am 3. Juli fällt der Startschuss zum 1. UCI Mountainbike Weltcup in Lenzerheide. Wieviele Zuschauer erwarten Sie?
Wir rechnen mit rund 15'000 Zuschauern an den drei Event-Tagen von 3. bis 5. Juli. Besonders die XCO-Fans sind ein reisefreudiges Völkchen und sehr fachkundig. Und die DH-Fans sind sehr unterhaltsam und bringen super Stimmung an den Streckenrand. Die Mischung über das gesamte Wochenende wird extrem spannend zum beobachten sein. Auch am Sonntag während den XCO-Rennen wird es richtig heiss. Denn wir haben mit Nino Schurter und Jolanda Neff zwei potentielle Schweizer Siegeskandidaten am Start.

2018 geht dann die WM über die Bühne. Wie schauen hier die Vorbereitungen aus?
Wir starten die Vermarktung der WM im Jahr 2016. Das erste Etappenziel ist es, den diesjährigen Weltcup auf einem hohen qualitativen Niveau zu präsentieren.

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Der erste UCI Mountainbike Weltcup steigt vom 3. bis 5. Juli 2015. Der Weltcup macht 2016 und 2017 wiederum Halt. 2018 richtet Lenzerheide die UCI Mountainbike und Trial Weltmeisterschaft aus.

Weltcup und Weltmeisterschaft brauchen Strukturen: Dazu wurde 2014 der Verein Bike Weltcup Lenzerheide gegründet. Als Präsident amtet der Einheimische Domenico Bergamin, weitere Kernmitglieder sind Bruno Ulber (Verein Lenzerheide Tourismus), Thomas Hunziker (Lenzerheide Bergbahnen AG), Bruno Fläcklin (Lenzerheide Marketing und Support AG) sowie Manuela Michel (Graubünden Ferien). Einsitz im Vereinsvorstand hat auch OK-Präsident Christoph Müller.

Christoph Müller ist ein erfahrener Eventprofi und war an Grossveranstaltungen wie Red Bull Skills oder Red Bull Crashed Ice massgeblich beteiligt. Durch die Mitorganisation der Ironman-Events in der Schweiz von 2008 bis 2011 bringt Müller auch Erfahrung in der Radszene mit. Müller arbeitet für die Firma evolution puissance 4 Ltd. aus Verbier und hat ein 40%iges Pensum für die Arbeit an Weltcup und WM.

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Bilder: Michael Suter


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