«Der Schweizer Tourismus muss innovativer werden!» | Ride MTB

«Der Schweizer Tourismus muss innovativer werden!»

Simon Smit

In seinem Referat am Ride-Kongress hält Simon Smit vielen Touristikern den Spiegel vor. Sein Ansatz dabei ist jedoch ein positiver und vor allem konstruktiver. Ausbrechen aus der Bequemlichkeit und den Mut haben, Neues zu versuchen. Mountainbiker kennen dabei seine Handschrift bereits: Er ist einer der Köpfe hinter «Bike Kingdom».

Was läuft falsch im Tourismus?
Ich finde, dass im Tourismus die Sachen zu wenig hinterfragt werden. Früher war man innovativer. Man hat den Skilift erfunden, eine Revolution. Heute macht man aus den Skiliften Sessellifte und erhöht die Transportkapazität. Zudem fehlen starke Persönlichkeiten die richtig ziehen und denen andere Meinungen auch mal egal sind: Reto Gurtner hat Laax zum Freestyle-Mekka gemacht. In Savognin hat Leo Jeker in den 70ern die erste Beschneiungsanlage nach Europa geholt. Und Marc Schlüssel und Lenzerheide machen jetzt Bike Kingdom. Im Tourismus gibt es viele Stakeholder. Wenn man es allen rechtmachen will, kommt man nicht weiter. Der gute schweizerische Kompromiss bedeutet, dass alle Entscheidungen viel langsamer erfolgen, gleichzeitig wird aber unsere digitalisierte Welt immer schneller.

Wir müssten also konsequenter handeln?
Ja, und das beginnt schon im Kleinen. Die Öffnungszeiten der Bergbahnen im Sommer sind für mich zum Beispiel unverständlich. Beim Mountainbiken mit Bergbahnen habe ich stets ein Stressgefühl, weil die zu früh schliessen. In Whistler sind die Bahnen von 10 bis 20 Uhr offen. Das sind gleich viele Stunden wie von 8 bis 18 Uhr aber das Gefühl ist total anders. Man hat Zeit zum entspannten Mittagessen, für ein Nachmittagsbier oder einen ausgiebigen Zvieri. Und da lässt man Kohle liegen. So gesehen müssten die Bergbahnen mal ihr Produkt radikal überdenken.

Du hattest als Werber früher auch viel zu tun mit anderen Branchen. Was können wir im Tourismus von anderen Bereichen lernen?
Touristiker müssen mehr rausgehen und aktiv ihre Alpenblase verlassen. Touristische Entscheidungsträger sollten meiner Meinung nach mehrmals pro Jahr nach Zürich, um zu sehen, was da gerade abgeht. Zürich ist nicht der Nabel der Welt, vieles schwappt von Berlin oder New York rüber. Und warum? Weil die Zürcher extra in diese Städte fahren und sich inspirieren lassen. In Zürich denkt keiner: Diese blöden New Yorker haben doch keine Ahnung. Aber in den Bergen denken sehr viele: diese blöden Zürcher haben keine Ahnung. Das ist doch Kindergarten. Das Ergebnis: Digitalisierung zeigt den Rückstand in den Bergen augenfällig. In der urbanen Schweiz habe ich für alles eine App, in den Bergen brauche ich dann aber Bargeld. Dahinter steckt ein fehlendes Verständnis für den Gast. Es wird erwartet, dass man auf der Höhe der Zeit ist. Oft verschliesst man sich aber regelrecht davor. Ein bisschen mehr rüberschwappen lassen, dann wäre man im Tourismus schon einige Schritte weiter.

Du bist einer der geistigen Väter von «Bike Kingdom». Wie kommt das?
Wir kommen in unserer jungen Firma «Creative Intelligence Society» aus der Werbung und der Strategie und da haben wir für viele Kunden aus dem Tourismus gearbeitet. Ich habe dabei oft das Gefühl gehabt, mit meinem Job auf der falschen Seite zu stehen. Ich bin ein Kreativer und habe Werbung für Produkte gemacht, die schlecht waren. Unser Ansatz besteht darin, die Kreativität doch besser ins Produkt zu investieren als in die Werbung danach.

Und da habt ihr euch «Bike Kingdom» ausgedacht?
Durch unsere persönliche Nähe zur Sportart, sagten wir uns: Wir müssten doch diesen Mountainbike-Tourismus mal völlig neu erfinden. Genau das wollte auch Lenzerheide. So begann der Prozess der Projektentwicklung von «Bike Kingdom».

Und was ist denn das Neue daran?
Ein Gebiet wie Lenzerheide ist gross und vielseitig. Die Bandbreite geht von der Stadt Chur über den Bikepark bis zum abgelegenen Albulatal. Wir gehen nun nicht mehr von einer klassischen Tourismusdestination aus, sondern sprengen die Grenzen. Lenzerheide wird also für die Mountainbiker zu einem Königreich mit verschiedenen Ländereien, das war die Initialidee für «Bike Kingdom». Wir wollten als Firma nicht einfach Werbung machen für Lenzerheide, sondern konkret mit der Destination zusammen das eigentliche Produkt mitgestalten.
 

Referat am Ride-Kongress:

Simon Smit hat nach vielen Jahren als Creative Director in der Werbebranche die Firma «Creative Intelligence Society» mitgegründet. Dabei ist die Entwicklung von touristischen Produktentwicklungen ein zentrales Geschäfts feld. Er tritt am Ride-Kongress am 1. Oktober 2020 als Referent auf und legt seine Sicht auf den Tourismus dar.

 


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